Interview mit Sigrid Siebert „Essen Sie bewusst!“

Das rät unsere Expertin und empfiehlt, auf die Zusatzstoffe zu achten

© AleksandarNakic / gettyimages.de

Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf dem Vormarsch: Expertin Sigrid Siebert erklärt die Ursachen und gibt Tipps für eine verträgliche Ernährung.

Woran liegt es, dass Nahrungsmittelunverträglichkeiten zunehmen?

Lebensmittelunverträglichkeiten sind weitaus häufiger anzutreffen als Lebensmittelallergien. Insbesondere bei Menschen zwischen 20 und 30 Jahren beobachten wir in den letzten Jahren eine Zunahme. Das hat mit der Veränderung von Essgewohnheiten zu tun. Immer mehr Convenience Produkte und stark verarbeitete Lebensmittel mit einer Vielzahl an Zusatzstoffen und Hilfsstoffen werden konsumiert. Dazu kommt dann oft noch Stress beim Essen, was die Verdauung ungünstig beeinflusst. Es liegt aber auch an einem insgesamt gesteigerten Bewusstsein für Unverträglichkeiten in der Bevölkerung und einer verbesserten Diagnostik.

Welche Rolle spielt dabei der Darm?

Eine gesunde Darmflora, auch Mikrobiota genannt, ist mitverantwortlich für die Funktion der Darmschleimhaut. Wenn die Schleimhautbarriere gestört ist, ist sie durchlässig für möglicherweise unverträgliche Nahrungsmittelbestandteile. Sie können Ihre Darmgesundheit fördern, indem Sie ausreichend Ballaststoffe zu sich nehmen, die als Nahrungsgrundlage für die Mikroorganismen in unserem Darm dienen. Aber auch bei den Ballaststoffen ist es wichtig, auf die individuelle Verträglichkeit zu achten.

Wie kann der Lebensstil Unverträglichkeiten beeinflussen?

Die Zubereitung einer guten Mahlzeit aus frischen Zutaten erfordert Zeit, die viele Menschen sich dafür nicht mehr nehmen oder auch einfach nicht haben. Oft muss es schnell gehen und es passt besser außer Haus zu essen oder im Vorbeigehen irgendetwas zu kaufen. Das sind dann vor allem Produkte, die das Bedürfnis einer schnellen Kalorienzufuhr befriedigen: meist süß, salzig, fettreich und kohlenhydratreich, aber ballaststoffarm und mit wenig Mikronährstoffen und gesunden sekundären Pflanzenstoffen.

Und das führt dann zu Magen-Darm-Beschwerden …

Ja, dieses veränderte Ernährungsverhalten trägt nicht selten dazu bei, dass Beschwerden auftreten. Aber statt die Essgewohnheiten und auch Lebensumstände mit zu berücksichtigen, vermuten viele Betroffene eher eine Nahrungsmittelunverträglichkeit als Auslöser der Beschwerden.

Was empfehlen Sie Menschen, die zu Unverträglichkeiten neigen?

Ich empfehle eine bewusste, auf den eigenen Esstyp angepasste Ernährung. Das kann bei vielen Menschen schon zu einem Rückgang von Beschwerden führen. Manchmal ist dabei tatsächlich der Verzicht auf Laktose, Fruktose, Gluten oder andere Lebensmittelinhaltsstoffe notwendig. Oft sind es aber auch Änderungen bei der Mahlzeitenaufnahme, die zu einer Verbesserung führen. Zum Beispiel ein anderer Zeitpunkt am Tag, mehr Zeit und angepasste Umgebung, eine andere Zubereitung oder eine andere Portionsgröße. Und ganz generell sind Lebensmittel mit vielen Zusatzstoffen ungünstig. Achten Sie immer auf die Zutaten! Es gibt inzwischen selbst bei Convenience Produkten viele gesündere Alternativen ohne Zusatzstoffe.

Wie sieht eine gut verträgliche Ernährung aus?

Menschen mit Unverträglichkeiten haben oft eine schwache Verdauung. Ihnen hilft eine darmgesunde Kost mit viel gegartem, gut verträglichem Gemüse, moderaten Mengen an guten Ölen, Nüssen und Sauermilchprodukten, dafür weniger stark gesüßte Lebensmittel. Eine ausreichende Aufnahme löslicher Ballaststoffe aus Leinsamen, Floh- oder Chiasamen, Haferflocken und Äpfeln beruhigt und trainiert den Darm. Eine allgemeingültige Empfehlung für alle kann es aber nicht geben, da die Verträglichkeit von Lebensmitteln sehr unterschiedlich ist: Betroffene dürfen alles essen, was sie vertragen. Um das im Einzelnen herauszufinden, ist es sinnvoll, ein Ernährungs- und Symptomtagebuch zu führen.

Unsere Expertin: Sigrid Siebert, Dipl. Ökotrophologin, Ernährungstherapeutin, Dozentin an der Akademie Gesundes Leben

Lebensmittel-Unverträglichkeiten

15–20 % der Deutschen leiden an Intoleranzen. Wir klären auf und bieten Hilfestellungen

Intoleranzen erkennen

Fruktose-, Gluten-, Laktose- und Histamin-Intoleranz. Erfahren Sie mehr über Symptome, Ursachen und hilfreiche Tipps im Umgang mit diesen Unverträglichkeiten.

Autor:in: Doreen Thal-Henschel