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Fasten und gesund Altern

Interview mit Prof. Andreas Michalsen

© Immanuel Diakonie

Die richtige Ernährung ist Medizin. Wie und was wir essen sollten, weiß der renommierte Fastenexperte Prof. Andreas Michalsen.

Reformhaus® Magazin: Intervallfasten gönnt dem Körper die nötigen Pausen, die ihn entlasten und gesund erhalten. Doch wie können wir diese Strategie am besten mit der richtigen Ernährung kombinieren? Es gibt so viele Varianten und Empfehlungen. Was ist aus der Sicht des Naturmediziners sinnvoll?

PROF. MICHALSEN: Ja, es gibt soviel Verwirrung durch neue Studien und immer wieder neue Diäten, von Low Carb / High Fat über Paleo bis Vegan. Auch bei der Art und Weise des Fastens flackern immer wieder neue Varianten auf. Ich möchte Klarheit schaffen und die Essenz herausfiltern. Deshalb habe ich mir genau die neuste Forschung und Wissenschaft angeschaut und untersucht, wie sich unsere Biologie entwickelt hat. Wie war unsere Lebensweise über die Jahrtausende? Welche Ernährungsform hat vermutlich unsere Gene beeinflusst? Dann sieht man, dass die Nahrung meist pflanzlich war und natürlich wenig verarbeitete Produkte verwendet wurden. Industriell verarbeitete Lebensmittel wie Zucker sind ja erst seit rund 50 Jahren auf unserem täglichen Speisezettel. Wenn man auf diese Weise herangeht und es mit der täglichen ärztlichen Erfahrung kombiniert, gelingen vernünftige Empfehlungen.

Nehmen wir beispielsweise Low Carb?
Ich finde es nicht so sinnvoll, sich die einzelnen Diäten mit nur einem Aspekt, zum Beispiel Kohlenhydrate, anzuschauen, sondern sich eher an dem Gesamten, was wir wissen, zu orientieren. Auf dem Teller liegen ja nicht Kohlenhydrate,sondern ein bestimmtes Essen, das viel Kohlenhydrate oder Fett enthält. Man muss aber viel genauer hinschauen. Wer zum Beispiel bei Low Carb dann viel Fleisch isst, erhöht sein Krankheits-und Sterberisiko, bei einer pflanzlichen fettreichen Variante sieht das ganz anders aus. Und wer eine High-Carb-Variante wählt und sich dabei besonders zuckerreich ernährt, tut sich ebenfalls keinen Gefallen. Bei Vollkornprodukten hingegen schützt er sich gegen Herzinfarkt und einige Krebsformen. Strikte Verbote helfen allerdings genauso wenig weiter. Man kann dem Körper auch mal Kuchen mit Schlagsahne gönnen, aber man muss es kompensieren. Und natürlich entscheidet das Maß.

Was bringt es, Kalorien zu zählen zum Abnehmen?
Das macht halt niemandem Spaß. Wenn man es durchhalten würde, funktioniert es. Das zeigt auch die kürzlich veröffentlichte Helena-Studie der Universität Heidelberg. Das ist eine der ersten Studien zum Intervallfasten, die strengen wissenschaftlichen Standards entspricht. Dabei wurde das Intervallfasten mit tageweisen 5:2-Fasten untersucht und dazu mit einer kalorienreduzierten Diät, also letztlich Kalorienzählen verglichen. Sie zeigt, dass man mit beiden Methoden, dem Intervallfasten und der Kalorienreduktion von 20 Prozent sehr gut abnimmt. In der Theorie funktioniert es also, Kalorien zu zählen, um abzunehmen. Aber die Realität ist, dass es die meisten nicht im Alltag durchhalten. Zeit oder Stunden zu zählen ist dagegen eine einfache Option. Das gelingt überraschend vielen Leute und funktioniert, wie diese und andere Studien inzwischen belegen. Ich hatte schon Hunderte Patienten,die mit anderen Diäten und Empfehlungen nicht zurechtkamen, aber mit Intervallfasten hat es gut geklappt.

,,Beim Fasten geht es letztendlich um das gesunde Altern“

Prof. Dr. Andreas Michalsen 

Was ist mit längerem Fasten?

Beim klassischen Heilfasten oder wie wir heute sagen – periodisches Fasten – ist die medizinische Wirkung relativ spektakulär, das zeichnet sich seit Längerem in aktuellen Studien ab und ist ja auch die ärztliche Erfahrung, die schon Otto Buchinger vor langer Zeit gemacht hatte. Neben dem mehrtägigen Heilfasten gibt es inzwischen auch die „Fasting –Mimicking Diet“ (Anm. der Red.: Scheinfasten-Diät, eine fünftägige Kur mit deutlich reduzierter Kalorienzahl), die der Forscher Valter Longo entwickelt hat. Dabei kann man noch 700 bis 800 kcal am Tag zu sich nehmen, aber vegan und zuckerarm. Es zeigt ebenfalls eine beeindruckende positive Wirkung bei vielen Erkrankungen.

Bei welchen Erkrankungen?
Beim Heilfasten wie auch beim Intervallfasten sieht man natürlich als Erstes bei Diabetes, Übergewicht und Bluthochdruck Erfolge. Oder bei Fettstoffwechselstörungen, da diese Erkrankungen ja meist durch Überernährung entstehen, überrascht das jetzt nicht so. Doch auch viele chronisch-entzündliche Erkrankungen bessern sich durch das Fasten. Also rheumatische Erkrankungen, chronische Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. Und es zeichnet sich auch ab, dass man Alzheimer und anderen neurologischen Erkrankungen damit vorbeugen kann. Wir haben bei uns an der Klinik sogar das Fasten als Unterstützung einer Chemotherapie bei Krebs in einer wissenschaftlichen Studie untersucht. Es zeigte sich, dass ein Fasten von 60 bis 72 Stunden die Verträglichkeit der Chemotherapie verbessert. Das heißt, das Fasten zeigt sich in immer mehr Facetten als eine wirkungsvolle Maßnahme.

Fasten bewährt sich also als eine Heilmethode der aktuellen Medizin?
Genau. Es geht nicht mehr nur ums Abnehmen und darum, das Fett zu reduzieren. Das passiert zwar auch, aber immer mehr geht es um das Fasten als Therapie, vor allem bei Stoffwechselerkrankungen und Entzündungen. Letztendlich ist es eine Methode für das gesunde Älterwerden. Tausende von Studien legen das nahe. Mit regelmäßigem Fasten kann man den Zeitpunkt des Beginns der Alterserkrankungen in diesen Experimenten um 20 bis 30 Prozent hinausschieben.

Beim 16:8-Fasten lassen viele das Frühstück weg. Früher hieß es immer, das sei ungesund. Was empfehlen Sie?
Es gibt eine Reihenfolge: Wenn jemand regelmäßig drei Mahlzeiten zu sich nimmt, kann er ruhig ordentlich frühstücken. Das Frühstück hat eine bessere Verstoffwechslungsquote als das Abendessen. Das betrifft die Insulinausschüttung und damit auch den Fettabbau. Wenn wir morgens viel essen, nehmen wir weniger zu als beim üppigen Abendessen. Wenn wir jetzt aber davon ausgehen, dass drei oder mehr Mahlzeiten zu viel sind und sie auf zwei reduzieren wollen, wie beim Intervallfasten, dann kann man das Frühstück auslassen oder nach hinten verschieben. Aber die beste Art des Intervallfastens bei 16:8 oder 14:10 ist, das Abendessen weg zu lassen. Beim Ranking wäre der Spitzenplatz: Intervallfasten mit Dinner-Cancelling, Platz zwei: Intervallfasten und Frühstück verzögern, Platz drei: Frühstück auslassen und dann ausgiebig Mittag essen. Die beste Stoffwechselzeit für den Körper liegt zwischen 10 und 13 Uhr.

Sie favorisieren eine rein pflanzliche Ernährung, wie offen sind die Deutschen dafür?
Das ist die Frage, das ist gerade in Deutschland ein schwieriges Thema. Wenn es zur Wursttheke geht,dann wird die Anzahl derjenigen, die sagen, das esse ich nicht, doch sehr gering. Deutschland hat einen sehr hohen Anteil an Fleisch- und Wurstkonsum, und einen sehr geringen Anteil an Gemüse- und Obstverzehr. Wir sind laut der OECD-Studie in Europa auf Platz 27 von 28 Nationen, was den Verzehr von Gemüse und Obst angeht.Die ganzen Mittelmeerländer ernähren sich auch nicht vegan, sie essen aber sehr viel weniger Fleisch, mehr Gemüse und bevorzugen pflanzliche Speisefette, also Olivenöl, und verzehren mehr Nüsse. Das ist sehr gesund. Alkohol und Wurst sind dagegen bei uns sehr ungünstige Vorlieben. Gesundheit und Umwelt sprechen eindeutig dafür, dass wir uns in Richtung einer pflanzlichen Ernährung aufmachen sollten.

„Deutschland gegen Darmkrebs“

Seit 2002 ruft die Felix Burda Stiftung den März als Darmkrebsmonat aus und fördert als Kooperationspartner auch die Aktion „Deutschland gegen Darmkrebs“. Und das aus gutem Grund. Denn täglich erkranken 170 Menschen in Deutschland an Darmkrebs. Mit publikumswirksamen Aktionen machen die Felix Burda Stiftung und Partner auch in diesem Jahr wieder darauf aufmerksam, dass Darmkrebsvorsorge Leben retten kann.

Autor:in: Yvonne Hagen